Das Denklabor

WAS IST DAS DENKLABOR?

MUSS MAN SPEZIALIST SEIN, UM DIE KUNST DER GEGENWART ZU VERSTEHEN?

Ganz sicher setzt das Denken über die Kunst der Gegenwart Wissen und Kenntnis voraus. Und die Kenntnis grundlegender und je nach Werk spezifischer Texte gehört heute zur Selbstverständlichkeit unter den Künstlern selbst. Das Denklabor, eine Gruppe junger Kunsthistoriker der Bonner Universität unter der Leitung von Wilfried Dörstel, will Texte und Theorien diskutieren, die grundlegend für die in nächster Zeit geplanten Ausstellungen im Bonner Kunstverein sind.

Mit dieser Kooperation verfolgen wir das Ziel, der Einsamkeit bei der Auseinandersetzung mit Kunst und Text mit Vielstimmigkeit zu begegnen, Fachwissen zu fördern und zu vermitteln, Forschung und Praxis stärker zu verbinden.

WAS STEHT IM FOKUS?

Im Fokus bei dieser Forschungs- und Theoriearbeit des Denklabors stehen der Begriff der Installation und damit einhergehend Phänomene der Entgrenzung. Es gehört heute zu Selbstverständlichkeit, Kunstwerken zu begegnen, die sich in Form von Sound, Performance, Situation mehr am Ereignis als am Objekt orientieren. Im Bonner Kunstverein stehen Sound und Musik mit den Ausstellungen von Maryanne Amacher und Nicolas Party im Mittelpunkt, Installation und Partizipation mit der Präsentation von Gabriel Lester und Haegue Yang, Möglichkeiten der Entgrenzungen erproben Künstler wie Anne Pöhlmann, Henning Fehr und Philipp Rühr, ebenso wie Jana Euler. Diese Werkauffassungen spielen nicht nur mit dem Raum, sondern involvieren auch die Zeit. Sie können sich auf den Innenraum beziehen wie auf den Außenraum Sie setzen eine Vielzahl von technischen Medien ein und meist involvieren sie den Betrachter. Sie umgeben ihn räumlich, sind auf seine Erfahrung, nicht auf seine Bedeutung aus. Und werfen insofern eine Reihe von Fragen auf: Was unterscheidet sie von Gemälden oder Skulpturen? Warum der Einsatz von bestimmten Medien? Wo haben sie ihre räumliche Grenze? Machen sie eine Aussage oder sind sie vor allem Erlebnisplattform? Geht es um Betrachten oder um Erfahren? Wo sind ihre Anfänge, wo liegen ihre kunsthistorischen Wurzeln, an was knüpfen sie in der Geschichte der Kunst an? Inwiefern stehen sie im Zusammenhang zu anderen aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen? Nutzen uns die traditionellen Gattungen noch, die bisher zur Orientierung dienten?

WAS HEISST KUNSTTHEORETISCH DENKEN?

Mit dem Projekt Das Denklabor eröffnet eine Gruppe junger Kunsthistoriker eine vertiefte Diskussion des laufenden Ausstellungsjahrs aus einer theoretischen Perspektive. Die erste Voraussetzung für einen theoretischen Blick ist: Kunstwerke sind als Sinngebilde zu sehen, die sich in einem historischen und kulturellen Zusammenhang herausbilden und damit eng verbunden sind. Dies gilt in allen drei Dimensionen der zeitgenössischen Kunst, für alle drei Rahmungen, in denen Kunst sich heute manifestiert. Das gilt in dem Rahmen, in dem zeitgenössische Kunst als etwas betrachtet wird, das auf unser Denken, unsere Wahrnehmung der Welt und unseren Umgang mit ihr wirken will und Folgen hat. Das gilt auch im kulturhistorischen Rahmen, der Kunst als Spiegelung historischer, sozialer und kultureller Verhältnisse sieht. Und das gilt drittens in dem Rahmen, dass Werke der bildenden Kunst Zeugnisse rein künstlerischer bzw. kunsthistorischer Entwicklungen sind.

Voraussetzung des Verstehens ist wohl zunächst das Anerkennen einer grundsätzlichen Verfassung von Hochkunst: Kunstwerke stehen in Bezug zu anderen Kunstwerken und sind eingebettet in Diskurse. Andere Kunstwerke sowie Diskurse der Zeit legen Kunstwerke in einem gegebenen Raum von Möglichkeiten fest. Kunstwerke sind demnach nicht freie Äußerungen eines ungebundenen Künstlers.

Nur ein Teil des Kunstwerks lässt sich insofern auf der Betrachterseite alleine über die unmittelbare sinnliche Anschauung oder den persönlichen Bezug erschließen. Das heißt, eine Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst, die dem gerecht werden will, bezieht sich immer auf bereits konstituierte Sinngebilde, auf Sinngebilde mit Bezügen.

WARUM ÜBERHAUPT THEORIE?

Das Denklabor im Bonner Kunstvereins stellt sich auch die Aufgabe, das Publikum mit den theoretischen, kunsttheoretischen und kulturhistorischen Bezügen bekannt zu machen und die Begegnung mit den Exponaten im Ausstellungsraum zu vertiefen. Das Arbeiten und Denken der Künstler heute bewegt sich ebenfalls in diesen Bezügen und in vielen Fällen gehört eine Orientierung in diesen theoretischen Bezügen zur Ausbildung wie zur Selbstausbildung der jungen Künstler. Selbst dort wo sich Künstler in Interviews äußern, um ihre Kunst zu kommentieren und verständlich zu machen, kommt das zum Tragen. Der Künstler Ed Atkins etwa zitiert und bezieht sich auf den Philosophen Maurice Blanchot und die Philosophin und Literaturwissenschaftlerin Catherine Malabou, der Künstler Pierre Huyghe zitiert und bezieht sich auf den Land Art Künstler Robert Smithson und den Science Fiction Schriftsteller Philip K. Dick oder die niederländische Kulturtheoretikerin Mieke Bal schreibt über den Installationskünstler Olafur Eliasson und weist auf seine Beschäftigung mit Theoretikern hin, die die Zeit neu gedacht haben, wie Henri Bergson oder George Kubler.

WIE KANN ICH DABEI SEIN?

Das Denklabor wird nicht nur in den Veranstaltungen während der kommenden Ausstellungen die Besucher in ein Gespräch einbinden. Gleichzeitig stellt Das Denklabor relevantes Material, Texte, Interviews, Gesprächsergebnisse, Lektürehinweise und anderes, das sich für die Vermittlung eignet, immer wieder online. So wird, um dem Namen Denklabor alle Ehre zu machen, ein Forum bereitgestellt, das Besucher des Bonner Kunstvereins und Studierende des Bonner Kunsthistorischen Instituts in den aktuellen Diskurs der Kunst der Gegenwart mit hinein nimmt und zu einem Denken über die neue Kunst provozieren will.

Dem Bonner Kunstverein ist die Durchführung des einjährig angelegten Projekts durch die Auszeichnung der Stiftung Kunst, Kultur und Soziales der Sparda-Bank West möglich, die anlässlich ihres 10-jährigen Jubiläums einmalige Förderungen aufgrund geplanter Jahresprogramme und zusätzlich entworfener Projekte auslobte.